Von E-Commerce zu Social Commerce
E-Commerce boomt, laut Handelsblatt ist der Online-Versandhandel 2005 allein in Deutschland um 24% gewachsen. Aber ein Big Player wie KarstadtQuelle konnte seine Online-Umsätze nur um 12% steigern. Das hat möglicherweise mit“Social Commerce“, dem derzeit aktuellsten Trend im Online-Business zu tun, zu dem unlängst das Buch „Die neue Renaissance: Auf dem Weg zu einer vernetzten, sozialen Wirtschaft“ von Douglas Rushkoff erschienen ist.
Web 2.0: Markets are Conversations
Am treffendsten erklären das Phänomen“Social Commerce“wohl die Autoren des bereits im Internet-Hype-Jahr 2000 erschienenen Buches „The Cluetrain Manifesto. The End of Business As Usual“, wie die neuen Handels-Formen im digitalen Zeitalter aussehen werden. Eine der insgesamt 95 Thesen der Autoren, die den Slogan“Markets are Conversations“geprägt haben, lautete damals:“Die Menschen in vernetzten Märkten haben herausgefunden, dass sie sich weit bessere Information und Unterstützung gegenseitig bieten können als sie von Unternehmen erhalten.“Ein andere These:“Es gibt keine Geheimnisse. Der vernetzte Markt weiß mehr als die Unternehmen selbst über ihre eigenen Produkte. Und egal, ob eine Nachricht gut oder schlecht ist, die Markt-Teilnehmer erzählen es jedem weiter.“Die Schlussfolgerung daraus:“Unternehmen, die nicht begreifen, dass ihre Märkte jetzt von Person zu Person vernetzt sind, daraus resultierend intelligenter werden und sich in Gesprächen zusammenfinden, versäumen ihre beste Chance.“Bei Social Commerce geht es vor allem um drei Themen: Vernetzung von Konsumenten-Meinungen, Konsumenten-Beteiligung und Live-Shopping.
Me-Commerce – Die Shoposphere
Während hierzulande noch darüber gerätselt wird, wie Viral Marketing per E-Mail am besten funktionieren könnte und Unternehmen erst langsam zu begreifen beginnen, welche Potenziale Weblogs für die Unternehmenskommunikation und Online-PR bieten können, werden anderswo Social-Commerce-Plattformen gelauncht. Yahoo bietet seit November 2005 mit dem Shopping-Portal“Shoposphere“ jedem Internet-Nutzer die Möglichkeit, aus 75 Millionen Produkten seine persönlichen Lieblingsprodukte auszuwählen und in Form einer“Picklist“ zu veröffentlichen. Entweder auf der Yahoo-Plattform selbst oder auf seiner eignen Website. Bestellt nun jemand ein Produkt aus dieser Liste bei einem Online-Händler, so zahlt dieser eine Provision an den Veröffentlicher der Pick-List. Yahoo nennt dieses Prinzip „Me-Commerce“, bei dem jeder Website-Betreiber zum Händler werden und jeder Händler seine Reichweite extrem ausweiten kann. Auch in Europa hat das Shoposhere-Modell bereits Nachahmer gefunden. Die französische Shopping-Community Zlio.com bietet Weblog-Betreibern an, eigene Seiten mit Zlio-Produkten zu veröffentlichen. Auch hier funktioniert es nach dem Prinzip: bestellt jemand die vorgestellten Produkte, erhält der Blogger eine Verkaufsprovision. Um vom Shoposphere-Modell zu profitieren, müssten „traditionelle“Online-Händler wie KarstadtQuelle ihre zentralen Plattform-Strategien aufgeben und ihre Marketing-Prozesse dezentralisieren. Nicht mehr das eigene Shopping-Portal ist zentrale Anlaufstelle für potenzielle Kunden, das Sortiment teilt sich vielmehr auf viele kleine unterschiedliche Websites oder Blogs auf.
„The Long Tail“ nennt Wired-Redakteur Chris Anderson dieses neue Modell vernetzter Märkte, zu dem nun auch ein Buch von ihm erschienen ist.
Die neue Renaissance
Das erste umfassende Buch zum Thema“Social Commerce“ist soeben auf Deutsch erschienen. In „Die neue Renaissance: Auf dem Weg zu einer vernetzten, sozialen Wirtschaft“ beschreibt der Medientheoretiker und Trendscout Douglas Rushkoff detailliert und anschaulich, was Social Commerce bedeutet. Während die Renaissance des 15. Jahrhunderts die Selbstentdeckung des Individuums mit sich brachte, das sich selbst als bestimmenden Faktor erkennt, tritt mit der vom Internet geprägte Renaissance eine Gegenbewegung ein weg von der Vereinzelung, hin zur Vernetzung. Klassische Hierarchien verschwinden und werden zunehmend durch eine Gesellschaft ersetzt, die sich der im Internet frei verfügbaren Wissens- und Informationsquellen wie Google oder Wikipedia bedient. Ein völlig neuer Typus von Kommunikation und Beziehungen entsteht, die“Open-Source-Gesellschaft“erlaubt freien Zugang zu Information und Wissen, die Menschen entwickeln sich von manipulierbaren Konsumenten zu informierten Mitgestaltern eines sozial-wirtschaftlichen Netzwerks. Für Rushkoff sind die wesentlichen Punkte für die derzeit stattfindenden Veränderungen die globale Vernetztheit, der spielerische Umgang mit Daten und Fakten und eine neue Art der Selbstbestimmung. Der Konsument von heute lässt sich immer weniger von Werbung und Markenstorys beeindrucken. Marketing funktioniert nur noch dort, wo die realen Bedürfnisse des Menschen angesprochen werden. Was aber sind diese realen Bedürfnisse in der Cyberwelt? Rushkoffs Antwort darauf lautet: das Bedürfnis nach sozialem Zusammenhalt. Produkte erregen nur noch dann Interesse und haben Erfolg, wenn sie die Kommunikation der Menschen untereinander verbessern.
Die weißen Apple-iPod-Stöpsel
Ein Beispiel für ein Produkt, das nachhaltig für zwischen-menschliche Kommunikation sorgt, ist der iPod von Apple: es ist nicht nur der geniale MP3-Player an sich, der einen globalen Hype kreiert hat, sondern Design-Features wie die weißen iPod-Kopfhörer-Stöpsel, die an sich keinen konkreten Nutzen (wie vielleicht bessere Sound-Qualität) bieten, aber zum Gesprächsthema werden, Stil-Diskussionen auslösen oder Flugpassagiere untereinander ins Gespräch bringen, wie es Blogging-Guru John Scoble in seinem Buch „Naked Conversations“ treffend beschreibt.
P.S: Die weißen iPod-Kopfhörer gelten bei der Avantgarde mittlerweile längst als stilistischer Fauxpas. So wird etwa im Editorial des österreichischen Szene-Magazins“thegap“ gemutmaßt,“ob bald auch der neuerdings joggende rote Parteichef Gusenbauer seine Ringrunden um Ursula Stenzels schwarze City mit weißen Stöpseln im Ohr drehen wird, weil ihm das seine Strategen einflüstern?“
(cp/13.1.2005)
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