Google soll Konkurrenz bekommen. Jimmy Wales, der Gründer der Online-Enzyklopädie Wikipedia, will noch in diesem Jahr eine eigene Suchmaschine starten. Das Besondere: Jeder Internet-User wird dabei mitmachen können, vorausgesetzt er verpflichtet sich auf bestimmte Qualitätsstandards. Unterstützt wird Wales von Amazon und einigen Altstars des Internet-Geschäfts. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung (SZ) erläutert Wales seine Suchmaschinen-Pläne.
SZ: Jimmy Wales, warum haben Sie Ihr Projekt“Wikisari“gestartet? Braucht die Welt wirklich eine weitere Suchmaschine?
Wales: Wir haben uns für den Namen“Wikia Search“entschieden. Das ist jetzt die richtige Bezeichnung. Bei dem Projekt geht es darum, eine offene und transparente Suchmaschine zu schaffen, die auf frei verfügbarer Software („Open Source“) basiert. Und dafür gibt es sicher Bedarf. Viele Firmen aus der zweiten Reihe wollen Zugang zur Internet-Suche über offene Software, zum Beispiel Apache, bekommen. Eine offene Gesellschaft braucht Offenheit und Transparenz in ihren Institutionen. Die Art und Weise, wie die Suche im Internet organisiert wird, ist daher fundamental.
SZ: Damit kritisieren Sie indirekt Google, die größte und erfolgreichste Suchmaschine im Internet. Die Suche bei Google basiert auf einem Algorithmus. Was könnte denn – im Sinne einer offenen und freien Gesellschaft – neutraler und transparenter sein als eine mathematische Formel?
Wales: Wir wissen ja alle nicht genau, wie dieser Algorithmus funktioniert. Das große Problem ist, dass die Suche bei Google beeinflussbar ist, zum Beispiel durch kommerzielle Interessen. Zuweilen sind die Ergebnisse von schlechter Qualität. Wenn Sie ein Stichwort eingeben, steht nach dem Google-Prinzip die Website an erster Stelle, auf die die meisten Links im Internet verweisen. Nach meiner Meinung ist das gar kein Qualitätskriterium. Die menschliche Urteilskraft ist im Zweifelsfall viel effektiver. Darauf wollen wir bei Wikia Search bauen. Wir brauchen die Partizipation von Menschen.
SZ: Wie wollen Sie die menschliche Urteilskraft bei Ihrer Suchmaschine einsetzen?
Wales: Das wird funktionieren wie bei Wikipedia. Die Internet-Enzyklopädie wird in einer Gemeinschaft von Nutzern regelmäßig ergänzt, redigiert und verbessert. Auch bei Wikia Search wird eine Gemeinschaft von Nutzern die ganzen Websites positiv oder negativ bewerten und hinterher in eine Rangfolge einordnen.
SZ: Aber wie wollen Sie die Qualität in diesen Gemeinschaften sichern? Im Prinzip kann da doch jeder jeden Unsinn machen.
Wales: Wir haben inzwischen viel Erfahrungen damit gesammelt, wie man Gemeinschaften im Internet organisieren kann. Wir haben klar definiert, was Wikipedia ist – also eine Enzyklopädie und kein Blog, kein Forum für Meinungsäußerungen. Es gibt klare Qualitätsstandards.
SZ: Wie werden Wikipedia und Wikia Search zusammenhängen?
Wales: Unternehmerisch werden sie nichts miteinander zu tun haben. Wikipedia ist eine gemeinnützige Stiftung, mit der keiner Geld verdient, Wikia Search ist eine Gemeinschaft innerhalb des gewinnorientierten Unternehmens Wikia.
SZ: Und wie finanziert sich Wikia Search?
Wales: Durch Werbung.
SZ: Und Sie glauben, Sie bekommen genügend Geld zusammen?
Wales: Aber ja, das ist der leichteste Teil des Geschäfts. Es gibt gar keinen Zweifel daran, dass Suchmaschinen heute extrem attraktiv für Werbekunden sind.
SZ: Und wie bekommen Sie das nötige Kapital für den Start des Projekts zusammen?
Wales: Wir haben mehrere Investoren gefunden, die das Projekt unterstützen: den Internet-Buchhändler Amazon; den Wagnisfinanzierer Bessemer aus Kalifornien; den Gründer des Softwarehauses Lotus, Mitch Kapor; den Erfinder des Internet-Browsers Netscape, Marc Andreesen; und den japanischen Wagnisfinanzierer Joi Ito.
SZ: Wie viel Kapital haben Sie auf diese Weise eingesammelt?
Wales: In der ersten Runde waren es vier Millionen Dollar. Die endgültige Zahl veröffentlichen wir nicht.
SZ: Und wann geht es mit der neuen Suchmaschine los?
Wales: Wir haben schon begonnen. Wir stellen ein Team von Entwicklern zusammen, wir kaufen Hardware und kümmern uns um die richtige Software. Wikia hat hier in San Mateo (Kalifornien) 40 festangestellte Leute, ein Teil beschäftigt sich jetzt ausschließlich mit Wikia Search, außerdem holen wir Leute von außen dazu. Ich denke, dass wir gegen Ende des Jahres etwas ins Netz stellen können; das wird noch nicht besonders gut sein, sondern muss sich in den folgenden Monaten innerhalb der Gemeinschaft der Nutzer weiter entwickeln und verbessern.
SZ: Die Enzyklopädie Wikipedia gibt es mittlerweile in unzähligen Sprachen. Wann kommt die Internationalisierung von Wikia Search?
Wales: Das wird bald kommen. Und Deutsch wird eine der ersten Sprachen sein.
SZ: Die Konkurrenz in dem Geschäft ist heftig. Microsoft hat schon Millionen investiert, um gegen Google eine eigene Suchmaschine zu entwickeln. Werden Sie sich gegen Ihre mächtigen Wettbewerber behaupten können?
Wales: Ich denke nicht an die Konkurrenz. Ich mache einfach das, was mir Spaß macht. Und die Entwicklung von Wikia Search macht definitiv Spaß.
SZ: Manche bezeichnen Sie heute schon als potentiellen Google-Killer. Werden Sie das sein?
Wales: Das weiß ich nicht. Man wird sehen.
Interview: Nikolaus Piper / Süddeutsche Zeitung
„Wiki“bedeutet in der Sprache der polynesischen Ureinwohner von Hawaii“schnell“. Wikipedia, die schnelle Internet-Enzyklopädie, bei der jeder mitmachen kann, ist die wesentliche Erfindung des amerikanischen Internet-Pioniers Jimmy Wales. Von 2003 bis 2006 leitete er die gemeinnützige Wikipedia-Stiftung, die die Enzyklopädie herausgibt. 2004 gründete er das gewinnorientierte Internet-Portal Wikia, das jetzt die Suchmaschine Wikia Search betreiben soll.
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